off theater niederlande

Martin Frey

Creatieve Marge

Die Entwicklung des niederländischen Off-Theaters

(1) Freriks, Kester: Lichaamstaai en bewegingstheater. In: De kwestie mime. Amsterdam 1984. S. 16/17.

Bewegungstheater und Mime

Die unüberschaubar gewordene Zahl neugegründeter Gruppen, neuer Solistinnen und Solisten zog immer weitere Kreise, und es ist keineswegs übertrieben, wenn bereits die frühen siebziger Jahre als eine Zeit der ›explosie van de mime‹ bezeichnet wurden: »Die Explosion der Mime zu Beginn der siebziger Jahre hat in künstlerischem Sinne die größtmögliche Freiheit geschaffen, die in einer Kunstform möglich ist. Das Angebot an Mimevorstellungen ist vielfältig. Die Pantomime von Rob van Reijn, die auf die Commedia dell'arte und Marcel Marceau zurückgreift, steht momentan neben scheinbar anarchistischen Bewegungstheatervorstellungen, in welchen der Vater der Körpersprache, Etienne Decroux, kaum mehr zu erkennen ist.« (1)

Diese Vielfalt wirkte sich auch auf zahlreiche, zu jener Zeit neugegründete Gesellschaften außerhalb des Mime-Bereiches aus: Ganz im Gegensatz zu jener Suche nach neuen Impulsen, die die Mime-Bewegung Mitte der achtziger Jahre, in einer Zeit der Stagnation und Orientierungslosigkeit kreativen Handelns, aus anderen künstlerischen Disziplinen zu gewinnen suchte, griffen damals experimentelle Theatergruppen, wie zum Beispiel ›De nieuwe Komedie‹, oder Modern-Dance-Gesellschaften, wie ›Penta‹, Elemente aus der Mime auf und verwendeten sie in ihrer Arbeit. Sowohl Bewegungsstrukturen und aus der Mime-Analyse entwickelte ›technische‹ Spielelemente als auch rhythmische Strukturen des Programmaufbaus inspirierten jene Gruppen zu neuen Ausdrucksformen und Stilelementen, die sie in ihre Aufführungen integrierten: Bewegung, Gestik, Licht, Musik, (Bühnen-)Raum wurden aus einer anderen, veränderten Perspektive betrachtet und das Verhältnis des Verbalen zum Nonverbalen neu relativiert. Erste und sehr wesentliche Schritte, die zu einer allgemeinen Auflösung von starren Fachdisziplinen und Trennungsstrukturen führen werden und die die Bewußtmachung einer – zumindest tendenziell – größtmöglichen Totalität eines theatralen Ereignisses und die Reduktion der elementhaften Schematisierung auf Sprache und/oder Mime, Musik und Tanz, etc. zum Ziel haben.

Die ›Mime Corporel‹ von Decroux ist auch für Frits Vogels, der seit 1954 Mitglied der ›Stichting Nederlandse Pantomime‹ ist, Basis und Ausgangspunkt seiner Arbeit. In der Nederlandsen Mimeschool bildete er Schüler zu Mime-Spielern und Lehrern aus. Für diese Ausbildung entwarf er einen Lehrplan (den ersten in der Geschichte der niederländischen Mime-Ausbildung), der später auch von der School voor Bewegingstheater (Schule für Bewegungstheater) und der Mime-Schule in der Amsterdamer Theaterschule verwendet wurde: Neben der Mimetechnik und der Ausbildung in verschiedenen Mimespielformen wurden auch Bewegungsarten wie Modern Dance und Yoga eingeführt, und auch Elemente aus dem Bereich des ›konventionellen‹ Schauspieler-Theaters spielten eine nicht unwichtige Rolle. Ausgehend von der Philosophie, daß Mime eine autonome Spielform zu sein hat, jedoch auch das Gebiet zwischen Theater und Tanz darstellt und somit Berührungspunkte und Überschneidungen bestehen, wurden diese anderen Fächer in den Lehrplan miteinbezogen. Man wollte dadurch einerseits diese Berührungspunkte erhalten andererseits das eigene Gebiet deutlicher erkennen. Vom Bühnenbildner Arnold Hamelberg wird später das Element Bildende Kunst, dritter Schnittpunkt der Mime, eingeführt.

Gemeinsam mit Arnold Hamelberg und einigen anderen Lehrern und Schülern der ›Stichting Nederlandse Pantomime‹ gründete Frits Vogels 1965 eine ›Werkgroep voor bewegingstheater op basis van mime‹ (Arbeitsgruppe für Bewegungstheater basierend auf Mime). Schon bald entwickelte sich diese Arbeitsgruppe zu einer alternativen Mime-Schule, eben jener oben angeführten School voor Bewegingstheater, die neben Mime auch Modern Dance, Klassisches Ballett, Schauspiel, Bildende Kunst und Musik im Unterrichtsprogramm hatte. 1968 wurde sie mit Jan Bronks Nederlandsen Mimeschool fusioniert und zur offiziellen Berufsausbildung für Mimespieler und -lehrer, der Mime-Schule auf der neuen Amsterdamer Theaterschule unter Leitung von Jan Kassies, ernannt.

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